„Made in China“ genießt heute einen wirklich schlechten Ruf. Dass das wohl nicht immer so war, wurde mir neulich beim Abwaschen klar.
Übersetzerin wäscht ab
Da schrubbte ich nämlich an einem Erbstück herum, das irgendwann mal in Mode war: einer Dreifachschale aus Holz, in der ich Gästen Knabberzeug serviere.
Auf der Unterseite befindet sich noch immer der Originalaufkleber, der die Herkunft angibt. Interessanterweise liest man dort: „Echte Handarbeit aus Fernost“.
Übersetzerin reimt sich eine Geschichte zusammen
Sicherlich musste die Holzschale vor vielen Jahren als Gastgeschenk herhalten. Und der Beschenkte mag beeindruckt gewesen sein von der exotischen Herkunft des Schmuckstücks.
Heute, in Zeiten der Billigproduktion in Asien, wäre man wohl eher enttäuscht über ein Geschenk „Made in China“.
Übersetzerin hat absatzfördernde Idee
Es wäre sicher absatzfördernd, statt „Made in China“ einfach „Echte Handarbeit aus Fernost“ auf von Kinderhänden in Asien hergestellten Produkten zu vermerken.
Das klingt nach Qualität und Exotik – kurz nach einem perfekten Geschenk.
Übersetzerin erklärt Euphemismus
Bei dieser Schönfärberei handelt es sich übrigens um eine besondere Art der Übersetzung – und zwar innerhalb der eigenen Sprache: nämlich um einen Euphemismus.
Diese Stilfigur gibt unerfreulichen Dingen einen schöneren Namen. Der Klassiker schlechthin ist die „Umstrukturierung“, bei der es hauptsächlich um Entlassungen und Einsparungen geht.
Übersetzerin hält sich zurück
Natürlich darf ich beim Übersetzen keine Euphemismen einbauen, wo vorher keine waren. Wenn mein Kunde „Made in China“ will, bekommt er es. Wenn er lieber „Echte Handarbeit aus Fernost“ anpreist, übersetze ich auch das.
Euphemismen einzubauen gehört nämlich ganz sicher nicht zu den Freiheiten, die sich ein guter Übersetzer nehmen darf!
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