Das 1,5-Grad-Ziel ist endlich kein Fremdwort mehr – es gehört zum ganz normalen Vokabular in Nachrichten zum Klimawandel und zur Nachhaltigkeit. Sprachlich ist es aber problematisch: Denn diese Marke sollte die Menschheit am besten nicht erreichen!
Woher stammt der ökologische Fachbegriff „1,5-Grad-Ziel“?
Das 1,5-Grad-Ziel geht auf das Übereinkommen von Paris zurück. In diesem internationalen Vertrag haben die unterzeichnenden Staaten im Jahr 2015 vereinbart, den weltweiten Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Der „Sonderbericht 1,5 °C globale Erwärmung“ des IPCC greift dieses Vorhaben im Jahr 2018 noch einmal auf. Er legt genau dar, warum diese Grenze wichtig und machbar ist.
Welches sprachliche Problem habe ich mit dem 1,5-Grad-Ziel?
Ein Ziel will man erreichen. Das 1,5-Grad-Ziel sollte die Menschheit aber besser nicht erreichen – auch wenn wir leider auf dem besten Wege dorthin sind. So schreibt der IPCC zu seinem aktuellen Sachstandsbericht:
Um das im Pariser Klimaabkommen vereinbarte 1,5 Grad-Ziel noch zu erreichen, dürfte bis in einem Jahrzehnt kein CO2 mehr ausgestoßen werden.
IPCC, Sechster Sachstandsbericht
(Leider ist diese Übersetzung etwas ungelenk. Gemeint ist: Ab in 10 Jahren darf kein CO2 mehr ausgestoßen werden.)
Die internationale Gemeinschaft hat also ein Ziel vereinbart, das sie genau genommen nicht erreichen will.
Sprachliche Alternativen zum 1,5-Grad-Ziel in Übersetzungen
Wenn ich englische Texte zum Klimawandel und zum 1,5-Grad-Ziel übersetze, bin ich gerne kreativ. Ich vermeide bewusst, vom „Erreichen des 1,5-Grad-Ziels“ zu sprechen. Ich finde die folgenden Lösungen eindeutiger:
- Umschreibung mit einem Verb: Das ist meine Lieblingslösung. Ich schreibe zum Beispiel: „Damit der Temperaturanstieg unter 1,5 Grad Celsius bleibt, …“
- 1,5-Grad-Pfad: Dieser Ausdruck war im Wahlkampf oft zu hören. Ich finde ihn akzeptabel, aber streng genommen sollte man das Ziel dieses Pfades ja nicht erreichen.
- 1,5-Grad-Grenze: Das ist inhaltlich der sinnvollste Ausdruck. Leider hat er sich bislang nicht durchgesetzt. Ich verwende ihn nur in Absprache mit meinen Kunden.
Fazit: Übersetzungen zum 1,5-Grad-Ziel
Leider ist der weithin bekannte Begriff „1,5-Grad-Ziel“ irreführend. Wann immer möglich, ersetze ich ihn durch Formulierungen wie „Damit der Temperaturanstieg unter 1,5 Grad Celsius bleibt, …“.
Bei aller sprachlichen Pingeligkeit verliere ich aber eines nicht aus den Augen:
Das Allerwichtigste ist, dass der Klimawandel begrenzt wird.
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