Hier bloggt die Übersetzerin Christiane Focking.


Posthum-Würdigung des Lateinunterrichts

Liebe Frau Krause, danke. Danke für Ihren furchtbaren Lateinunterricht. Das, was Sie mir damals eingebläut haben – und das ist wörtlich zu verstehen, denn Wichtiges musste in Ihrem Unterricht stets in Lilablassblau unterstrichen werden –, verschafft mir heute mein täglich‘ Brot. Ich habe Ihren Unterricht gehasst. Dennoch, das Latinum wollte ich haben, denn wenn man…

Übersetzung Imperativ

Liebe Frau Krause,

danke. Danke für Ihren furchtbaren Lateinunterricht. Das, was Sie mir damals eingebläut haben – und das ist wörtlich zu verstehen, denn Wichtiges musste in Ihrem Unterricht stets in Lilablassblau unterstrichen werden –, verschafft mir heute mein täglich‘ Brot.

Ich habe Ihren Unterricht gehasst. Dennoch, das Latinum wollte ich haben, denn wenn man mal „irgendwas mit Sprachen“ anfangen will, könnte dieses Papier Gold wert sein. Das hat sich allerdings in meinem Fall nie bewahrheitet.

Aber Latein sollte ja auch zu anderen Zwecken sinnvoll sein. Um andere Sprachen zu lernen, wurde mir erzählt. Stimmt auch: Italienisch fiel mir extrem leicht, wobei das natürlich auch meinen Französischkenntnissen zu verdanken war. Aber ganz ehrlich: Lohnt es sich, Latein zu lernen, um dann leichter Italienisch zu lernen? Wäre es nicht ökonomischer, nur Italienisch zu lernen und dabei etwas länger zu brauchen – ohne den Umweg über Latein?

Außerdem: Wenn man Latein wie ich als dritte Fremdsprache lernt, dann kommt es für zwei Anwendungsfelder (in meinem Fall die französische und die englische Sprache) zu spät.

Und natürlich erleichtern Lateinkenntnisse vor allem die romanischen Sprachen. Ich quäle mich gerade mit der ungarischen Sprache, und da hilft gar nichts: kein Latein, keine Schokolade. Es ist einfach ein Kampf gegen szélmalmok.

Dennoch verdanke ich Frau Krauses Lateinunterricht unendlich viel. Das wurde mir klar, als ich anfing mit dem Übersetzen. Ich konnte es nämlich sofort, und ich konnte es gut. Ich konnte mit den Satzteilen und Wortarten jonglieren. Ich bewegte mich in bekannten Gewässern. Ich übertrug bestimmte Techniken.

Ein Beispiel: Der verrückte ablativus absolutus wird je nach Kontext übersetzt. Er kann etwa kausal, konzessiv, modal, konditional oder temporal übersetzt werden, in Form eines Nebensatzes oder einer Beiordnung.

Frau Krauses Beispiel dazu werde ich nie vergessen: Herculus ging zum König, weil/da/obwohl/als/nachdem/wenn dieser ihn gerufen hat. Allein die Tatsache, dass der Satz als „Herculus ging zum König, weil dieser ihn gerufen hat“ und als „Herculus ging zum König, obwohl dieser ihn gerufen hat“ übersetzt werden kann, fand ich damals – lächerlich. Heute gibt es für mich nichts Hilfreicheres, als an diesen Satz zu denken, wenn ich ein willkürlich eingeworfenes englisches gerund übersetzen muss.



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