Ich liebe die Lieder von Franz Schubert, besonders wenn Dietrich Fischer-Dieskau (der leider inzwischen von uns gegangen ist) sie darbietet.

Vor kurzem habe ich entdeckt, dass die Liedtexte der Goethe-Lieder im CD-Heft in drei Sprachen abgedruckt sind: Deutsch, Englisch und Französisch, ordentlich nebeneinander. Das verschaffte mir eine Ausrede, um die ganze CD noch einmal zu hören und in drei Sprachen mitzulesen.

Die Qualität der Übersetzungen war insgesamt eher mittelmäßig, was aber verständlich ist, da es hier nicht um lyrische Übersetzungen geht. Vielmehr soll der geneigte fremdsprachige Hörer möglichst genau erfahren, in welchen romantischen Gefühlen der Protagonist gerade schwelgt. Da der Ausdruck der Gefühle sich, wie in der Romantik üblich, in einzelnen Tönen widerspiegelt, sollte also jedes übersetzte Wort sich auf dem passenden Ton befinden, wodurch eine gute Übersetzung praktisch unmöglich wird. So weit, so ungut, so verständlich.

Als der Abend bereits fortgeschritten war, gelangte ich zu Stück Nummer 19, dem „Erlkönig“ (nebenbei bemerkt: Wer könnte die letzte Zeile gänsehäutiger gestalten als der geniale Dietrich Fischer-Dieskau??).

Hier heißt es auf Deutsch: „Meine Töchter sollen dich warten fein“. Der englische Übersetzer schreibt sehr richtig „My daughters will care for you“. Der französische Übersetzer erfindet jedoch „Mes filles si belles doivent t’attendre“. Er hat offensichtlich die einzelnen Wörter aus dem deutschen Satz zusammengekehrt und sie so kombiniert, wie es ihm sinnvoll dünkte. Dass „attendre“ im Deutschen immer „warten auf“ heißen muss, übersah er geflissentlich. Dass er dann auch noch das Adverb „fein“ in das Adjektiv „belles“ verwandelt, drückt seine absolute Hilflosigkeit (oder Inkompetenz) aus. Hätte er nur einen Blick in den Duden geworfen, hätte er als dritte Bedeutung des Verbs „warten“ folgende Definition gefunden: (veraltend) sich um jemanden, etwas kümmern, für jemanden, etwas sorgen; pflegen, betreuen.

Welch ungerechte Bestrafung der Töchter in der französischen Version: Statt sich liebevoll um den Knaben kümmern zu dürfen, müssen sie auf ihn warten …

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